- südslawische Frage
- südslawische Frage,Bezeichnung für das zentrale politische und verfassungsrechtliche »Reichsproblem« der Donaumonarchie Österreich-Ungarn, verursacht durch die Autonomiebewegungen der Südslawen in der ungarischen Reichshälfte (etwa seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts). Weltpolitische Bedeutung erhielt die südslawische Frage dadurch, dass sie den Gegensatz der Großmächte Österreich-Ungarn und Russland auf der Balkanhalbinsel verschärfte und somit wesentliche Ursache und unmittelbarer Anlass für den Ersten Weltkrieg war (Attentat von Sarajevo 1914). - Die Autonomieforderungen der nationalen Minderheiten tasteten zunächst die Existenz des habsburgischen Gesamtstaates nicht an, dessen Bemühungen um eine Lösung der Nationalitätenprobleme jedoch v. a. am ungarischen Widerstand scheiterten. Verschärft wurde das Problem, als infolge der scharfen Magyarisierungspolitik (v. a. in Kroatien) und der geänderten außenpolitischen Lage (österreichische Besetzung von Bosnien-Herzegowina 1878; Entstehung eines Königreichs Serbien 1878/82) die Forderung nach einem eigenen südslawischen Staat zunehmend von Serbien propagiert wurde. Zusätzlich trieb die verhärtete österreichische Innenpolitik seit der Jahrhundertwende (verstärkt seit der Annexionskrise 1908) die kroatische Opposition in die »serbokroatische Koalition«. Eine »trialistische« Lösung, vertreten vom österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand (föderative Verbindung eines österreichischen, eines ungarischen und eines südslawischen Reichsteils zur Verhinderung eines ungarischen Übergewichts und zur Abwehr der großserbischen Ansprüche), wurde von nationalistischen Geheimbünden (Schwarze Hand, Omladina) bekämpft und durch das Attentat von Sarajevo zum Scheitern gebracht. Der Zerfall der Donaumonarchie im Ersten Weltkrieg führte zur Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (»Jugoslawien«) am 1. 12. 1918, womit die südslawische Frage einen vorläufigen Abschluss fand.
Universal-Lexikon. 2012.